Lisa Fitz und die Kunst- und Meinungsfreiheit (Art 5 GG)

Ein pointierter kabarettistischer Beitrag von Lisa Fitz in der Sendung „Spätschicht“ wurde aus der SWR Mediathek gelöscht, weil darin in nicht zutreffender Weise eine Zahl an Corona Impftoten genannt wurde, die schlecht recherchiert war, oder aus anderen Gründen nicht den offiziellen Zahlen entspricht.

Aus diesem Grund sei der Beitrag nicht von der Meinungsfreiheit des  Artikels 5 GG gedeckt und nicht mehr in der Mediathek abrufbar, so die Begründung des Senders.

Artikel 5 GG garantiert sowohl das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit als auch die Freiheit der Kunst und Wissenschaft. Eine Zensur ist verboten. Einschränkungen dürfen nur vorgenommen werden, wenn gegen allgemeine Gesetze verstoßen wird.

Beispielsweise kann die Meinungsfreiheit durch Strafgesetze begrenzt werden. Eine strafrechtlich sanktionierte Beleidigung ist nicht mehr als Äußerung der freien Meinung, die von der Garantie des Grundgesetztes gedeckt wird, zu betrachten.

Gegen welches Gesetz Lisa Fitz durch die Nennung einer falschen Zahl verstoßen haben soll, ist nicht ersichtlich und bleibt offen.

Artikel 5 GG beinhaltet kein Recht auf oder besser keine Verpflichtung zur Wahrheit. Auch falsche Angaben, Tatsachenbehauptungen oder gar Lügen sind vom Grundgesetz gedeckt und nicht verboten, solange sie nicht widerrechtlicher Bestandteil z. B. eines Straftatbestandes sind.

Vielmehr ist die Maßnahme des SWR, den Beitrag aus der Mediathek zu nehmen nicht vom Grundgesetzt gedeckt.

Ein öffentlich-rechtlicher von der Bevölkerung finanzierter Sender betreibt mit seiner Vorgehensweise in vorweggenommenen Gehorsam Zensur, weil in den sogenannten sozialen Medien Kritik aufbrandet. Damit wird das Recht des Zuschauers auf freie Information untergraben.

Moralisch eventuell oder vermeintlich Verwerfliches nicht mehr auszustrahlen stellt nicht nur einen Eingriff in die von Artikel 5 garantierten Grundrechte auf Meinungsfreiheit des Künstlers dar, sondern maßt sich die Befugnis an über „Gut und Böse“ zu entscheiden bzw. dem Zuschauer vorenthalten zu können, was für ihn nicht „gut“ ist. In besonderem Maß wird hiermit das Recht des Bürgers auf freie Information und dessen  so oft postulierte Mündigkeit missachtet. Der mündige Bürger sollte in einem freien und demokratischen Rechtsstaat selbst entscheiden können, was er für „gut oder böse“, „richtig oder falsch“  hält und sich dazu eine entsprechende eigene Meinung bilden können. Ist man mittlerweile der Annahme, es überschreite seine intellektuellen Fähigkeiten, sich selbst eine Meinung zu bilden und verfährt deshalb mit ihm wie mit einem unmündigen Kind?

Wohlgemerkt handelte es sich bei Lisa Fitz‘ Beitrag um einen kabarettistischen und keine Reportage -oder Dokumentation zum Thema. Eine solche wäre sicherlich nicht in der Kabarett- bzw. Comedy-Sendung „Spätschicht“ gelaufen, sondern eher in einer Sendung wie Report, Panorama o.ä.  Geht man wirklich davon aus, der Zuschauer sei nicht in der Lage, den Kontext zwischen Beitrag und Sendung wahrnehmen und einordnen zu können?

Selbst, wenn man dem Zuschauer diese gedankliche Leistung nicht mehr zutraut, hätte der Beitrag in der Mediathek verbleiben können, indem sich der Sender zusätzlich durch eine  entsprechende Einblendung von der Darbietung distanzieren hätte oder in den Beitrag eingeblendet hätte, die von Lisa Fitz  genannte Zahl der Toten sei nach Recherche des Senders nicht korrekt.

Ohne Frage sind an rein informative Sendungen andere Anforderungen zu stellen als an einen künstlerischen Beitrag, um den es hier eindeutig ging.  Mit dem Absetzen Lisa Fitz‘ Darbietung wird jedoch nicht nur in das Recht auf  Meinungs- und Informationsfreiheit, sondern insbesondere auch in das Recht auf Kunstfreiheit verletzend eingegriffen.

Gerade in diese Zeit sind  massive Grundrechtseingriffe an der Tageordnung, die der Bürger aufgrund der vielfältigen Corona-Maßnahmen hinzunehmen hat. Dass ein öffentlich-rechtlichen Sender völlig ungerechtfertigt  unnötige Maßnahmen ergreift, die weitere Eingriffe in ein Grundrecht – hier in Artikel 5 GG – nach sich ziehen,  statt, wo eben möglich zur Wahrung derselben Fingerspitzengefühl zu beweisen, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Oder ist mancher Entscheidungsträger mittlerweile der Auffassung, der Bürger habe sich an die Einschränkung seiner Grundrechte gewöhnt und merke es gar nicht mehr, wenn man wie mit der Axt im Wald vorgeht?

Wohin führt es, wenn wir erwarten, Kunst dürfe nur die  von der Mehrheit wahrgenommene Realität wiedergeben – so die Begründung des Senders – und einem (bewusst übertrieben formulierten) „gesunden Volksempfinden“ entsprechen? Da ergeben sich äußerst negative Assoziationen an eine Zeit, die wir alle froh sind, überwunden zu haben und sicherlich nicht aufs Neue wiederbeleben  wollen!

Was wäre aus der vor gut 100 Jahren entstandenen Strömung des Dadaismus, in dessen Lyrik der Himmel auch grün sein durfte, geworden?

Oder noch weiter gesponnen: Was bedeutete es für die darstellenden Kunst, wenn diese nur noch der Realität verpflichtet wäre? Zahlreiche namhafte bildende Künstler wie Picasso, Dali oder Duchamps – um nur einige zu nennen –  wären durchs Raster gefallen und wir hätten sie nie kennen gelernt.

Berlin, East Side Gallery am 24.12.2019