Meine Erfahrungen mit gerichtlichen Auseinandersetzungen
Über die Jahre ergeben sich in der anwaltlichen Tätigkeit viele Einblicke in die unterschiedlichsten Lebensformen. Auch die Art mit Konflikten umzugehen ist so vielfältig wie die betroffenen Menschen.
Aber im Laufe der Zeit können auch Verhaltensmuster beobachtet werden, die sich immer wiederholen. Dies gilt ganz besonders dann, wenn es sich um Auseinandersetzungen handelt, bei denen die Parteien eine räumliche und emotionale Nähe zueinander aufweisen.
Während im Nachbarschaftsstreit zunächst die räumliche Nähe überwiegt, dominiert emotionale Nähe die familiäre Auseinandersetzung, so bei Trennung und Scheidung, aber auch bei erbrechtlichen Konflikten. Verknüpft ist beides häufig bei Streitigkeiten im Arbeitsalltag.
Mehr oder weniger schnell sucht eine Konfliktpartei den Anwalt auf, damit dieser vor Gericht für Gerechtigkeit sorgen möge, sei es bei Unterhaltfragen im Fall von Trennung und Scheidung oder dem Streit mit dem Nachbarn wegen der Hecke im gemeinsamen Grenzbereich etc. pp.
Doch häufig stellt sich das vom Gericht gefällte Urteil anders dar als erwartet. Statt der erhofften (vermeintlichen) Gerechtigkeit obsiegt die Gegenseite und weiterer Frust ist vorprogrammiert. Umgekehrt sorgt auch ein obsiegendes Urteil nicht zwangsläufig für dauerhaften Frieden unter den Konfliktparteien. Hier ist die Gegenseite frustriert und lässt keine Gelegenheit aus, um es dem Kontrahenten bei nächster Gelegenheit heimzuzahlen. Häufig wird sogar geradezu nach Gelegenheiten, oft Kleinigkeiten, gesucht, um die ersehnte Retourkutsche anbringen zu können.
Man spricht nicht mehr miteinander, was oft schon zur gerichtlichen Auseinandersetzung beigetragen hat, und bleibt über Jahre, oft bis zum Lebensende, verfeindet.
Auf diese Weise schaukelt sich ein Konflikt im Laufe der Jahre immer weiter hoch, ein Entkommen aus dieser Konfliktspirale ist den Betroffenen kaum noch möglich. Eskaliert der Konflikt vollends, freuen sich oft die Medien, vor allem die Boulevardpresse, über neuen Stoff für die Berichterstattung.
Je länger der Streit umso besser für den Anwalt?
Man könnte nun meinen, ein Anwalt könne sich über diese Form der Auseinandersetzung nur freuen, da die streitigen Auseinandersetzungen seiner Mitmenschen doch sein Einkommen gewährleisten.
Ich (und auch viele Kollegen) finden diese Form der Streitbeilegung jedoch äußerst unbefriedigend. Eine wirkliche Konfliktbewältigung findet nicht statt. Die Verantwortung für den Streitgegenstand wird auf Rechtsanwälte und Gerichte geschoben. Das ist zunächst sehr einfach, auf lange Sicht – oft über Jahre hinweg – für die Betroffenen jedoch äußerst destruktiv, nervenzehrend und natürlich kostspielig.
Der Weg zur alternativen Konfliktbewältigung
Die oben beschriebene Art, Meinungsverschiedenheiten beizulegen, halte ich heute für nicht mehr zeitgemäß.
Es mag sein, dass sich die andere Partei falsch verhalten hat oder Dinge anders einschätzt als man selber. Die Verantwortung für den gemeinsamen Konflikt auf sie abzuwälzen ist einfach, aber wenig hilfreich. Immer sind zwei Seiten an einem Streit beteiligt. Wir müssen realisieren, dass ein Konflikt auch immer etwas mit uns selbst zu tun hat. Dann kann man für sich und sein Verhalten Verantwortung übernehmen und nimmt dem anderen die Last der alleinigen Verantwortung.
Oft reicht dies schon, um mit der Gegenseite wieder ins Gespräch zu kommen und kleinere Konflikte bereits in ihren Anfängen aufzulösen.
Gelingt dies nicht (mehr), benötigt man professionelle Unterstützung. Statt eines gerichtlichen Verfahrens ist hier der Mediator/ die Mediatorin gefragt.
Mediator ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Das ruft natürlich auch schwarze Schafe auf den Plan. Umso wichtiger ist für es alle, die sich ernsthaft als MediatorIn betätigen wollen, eine qualifizierte Ausbildung, wie sie der BundMediation entwickelt hat, zu machen. Hier lernen Mediatoren für Kontrahenten ein strukturiertes Verfahren zur Konfliktlösung aufzustellen. In einem geschützten Rahmen können diese ihren Konflikt eigenverantwortlich und zukunftsorientiert lösen, d. h. man kann auch in Zukunft wieder miteinander umgehen. Das hat mich fasziniert. Aus diesem Grunde habe ich die Ausbildung zur Mediatorin gemacht und zusätzlich die Anerkennung vom Bund Mediation® erworben.
Ganz besonders wichtig ist im Mediationsverfahren, dass jeder Seite Zeit und Raum gegeben wird, den Konflikt aus ihrer Sicht darzustellen. Nach erfolgreicher Mediation haben mir die ehemaligen Kontrahenten immer wieder bestätigt, wie wichtig und hilfreich dies war. Ganz besonders in familiären Konflikten wurde betont, dass man sich vorher nicht mehr wirklich zugehört habe. Daher bringt die Mediation nicht nur für die Konfliktparteien, sondern auch für mich ein wirklich befriedigendes Ergebnis. In diesem Prozess bin ich allparteilich, also jeder Seite gleichermaßen zugewandt ohne einer Partei den Vorzug zu geben.
Auf diese Weise mit meiner Tätigkeit einen Beitrag zu konstruktiver Konfliktlösung und mehr friedlichen Miteinander leisten zu können, empfinde ich als wesentlich befriedigender als die gerichtliche Auseinandersetzung und macht Freude.